Naturschutzprojekte
Kindheit zwischen Reben und Wald
Bereits in meiner frühen Kindheit begann ich mich für die Natur zu interessieren. Spannender als der Besuch des Kindergartens war es für mich, wenn ich meine Eltern bei ihrer Arbeit im Weinberg begleiten durfte. Da brauchte ich dann keine Spielsachen, ein ausgedientes Einweckglas reichte mir statt dessen völlig. Zur besseren Beobachtung packte ich da die Kleintiere hinein, die ich im Weinberg fand. Ich kann mich noch gut an meine ersten "Gäste" erinnern: 2 Erdeulenraupen und 3 Laufkäfer. Abends beobachtete ich noch meine Insekten im Glas und am nächsten Morgen galt ihnen wieder meine ganze Aufmerksamkeit: Die Laufkäfer waren putzmunter – aber eine der beiden Erdraupeneulen fehlte. Es musste eine logische Erklärung für das Verschwinden der Raupe aus dem verschlossenen Glas geben. So durchsuchte ich die Erde im Glas Krümel für Krümel, bis ich irgendwann die winzige, aber besonders harte Stirnplatte der Raupe fand. Da wurde mir schlagartig klar was über Nacht passiert war - die Laufkäfer hatten eine der Raupen aufgefressen! Dieses Schlüsselerlebnis war meine erste Lektion in Sachen Ökologie. Die Faszination, solche Zusammenhänge in der Natur zu entdecken und zu verstehen, hat mich bis heute nicht losgelassen.
Mein frühes Interesse für die Ökologie wurde für mich später zur Berufung. Als ich 1990 den elterlichen Betrieb übernahm, war die Betriebsumstellung der 8 ha Weinberge auf Ökolandbau nach Bioland-Richtlinien für mich die Verwirklichung eines Traumes. Mein Ziel ist es, den Nachweis zu führen, dass sich eine hohe Artenvielfalt in den Weinbergen auch wirtschaftlich positiv auswirken kann. Je vielfältiger das Leben im Weinberg ist, desto stabiler wird das ganze Ökosystem. Artenvielfalt in meinen Weinbergen bedeutet für mich auch mehr Lebensqualität, die Arbeit im Weinberg bereitet mehr Freude wenn es immer wieder etwas Neues zu entdecken gibt.
Maßnahmen zur Erhöhung der Artenvielfalt
- Ökologischer Anbau
- pflugloses Bodenpflegesystem
- Ökonischen im Weinberg
- spezielle Artenschutzprogramme
- extensive Beweidung von Streuobstwiesen mit Eseln
Ökologischer Anbau
Der Verzicht auf den Einsatz chemisch-synthetischer Spritzmittel und Herbizide führt schnell zu einer höheren Individuenzahl an Tieren im Weinberg und die Artenvielfalt steigt. Durch den Verzicht auf leicht lösliche Mineraldünger wachsen wieder vermehrt seltene, konkurrenzschwache Pflanzen im Weinberg und der Blütenreichtum nimmt zu.
Durch konsequenten ökologischen Anbau wird weniger Energie und sonstige Ressourcen verbraucht, das schütz Natur und Umwelt auch in anderen Teilen der Welt!
Bodenpflegesystem
Unser Ziel ist es die Reben optimal mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen um eine gute Qualität bei ausreichenden Erträgen zu ernten. Gleichzeitig soll die Artenvielfalt erhalten und gefördert werden. Grundlage dafür ist eine hohe Bodenfruchtbarkeit, die Vermehrung des wertvollen Oberbodens und des Humusgehaltes. Diese Ziele erreichen wir durch die pfluglose Bodenbearbeitung und durch die Einsaat selbst zusammengestellter Gründüngungsgemengen mit vielen verschiedenen Leguminosenarten. Dabei achten wir auf eine der jeweiligen Bodenart angepassten Saatmischung und wechseln je nach der Witterung zwischen Kurzzeit- oder Dauerbegrünung. Einsaaten erfolgen nur auf Teilflächen, also in jeder zweiten Gasse, dadurch kann sich auch noch die natürliche Standortflora entfalten. Die Gasse mit einer Einsaat und die Gasse mit der spontanen Weinbergsflora wird alle 2 Jahre gewechselt. Dadurch wird die typische Weinbergsflora mit ein- und zweijährigen Arten und den Zwiebelgewächsen gefördert.
Bei anhaltender Trockenheit wird jede zweite Gasse ganz flach mit der Scheibenegge bearbeitet um die Verdunstung aus dem Boden zu stoppen. Bei diesem Arbeitsgang wird gleichzeitig das Rebschnittholz und der Aufwuchs der Wintergründüngung grob zerkleinert. Die natürliche Schichtung des Bodens bleibt so erhalten. Die Organische Masse wird nicht vergraben sondern bleibt als Schutzbelag auf dem Boden liegen und dient den tiefgrabenden Regenwürmern als Nahrung. Wenn ausreichend Regen fällt darf sich wieder die natürliche Weinbergsflora entwickeln. Wird die Begrünung zu hoch, wird nicht gemulcht sondern gewalzt, das ist für die Tierwelt schonender und die konkurrenzstarken Gräser werden zurückgedrängt. Durch diese flexible Bewirtschaftung entsteht ein abwechslungsreiches Mosaik aus unterschiedlichen Pflanzengesellschaften im Weinberg.
Das Ökosystem im ökologischen Weinberg produziert kontinuierlich organische Masse – Nahrung für die tiefgrabenden Regenwürmer im Boden. Auch die pfluglose Bodenpflege fördert diese für die Bodenfruchtbarkeit so wichtigen Tiere. Die Bodenfruchtbarkeit hat sich in unseren Weinbergen sehr gut entwickelt, das wird deutlich wenn es nach längerer Trockenheit wieder regnet – das Regenwasser versickert vollständig und durch die Aktivität der Bodenlebewesen geht der Boden förmlich auf wie ein Hefeteig! Durch die gute Bodenfruchtbarkeit wachsen unsere Reben sehr harmonisch, nur bei Bedarf düngen wir mit kalkhaltigem Gesteinsmehl und organischem Substrat.
Weinbergsflora
Durch die schonende, die natürlichen Abläufe berücksichtigende Bodenpflege wachsen zwischen unseren Reben mittlerweile mehr als 300 verschiedene Kräuter- und Gräserarten. Darunter viele Seltenheiten, z.B. Große Traubenhyazinthe (Muscari racemosum), Schopfige Traubenhyazinthe (Muscari comosum), Acker Gelbstern (Gagea villosa), Wiesen Gelbstern (Gagea pratensis), Dolden Milchstern (Ornithogalum umbellatum), Runder Lauch (Allium rotundum), Weinbergslauch (Allium vineale), Roß-Lauch (Allium oleraceum), Wendich (Calepina irregularis), Ranken Platterbse (Lathyrus aphaca), Sand-Wicke (Vicia lathyroides), Gestreifter Klee (Trifolium striatum), Runzeliger Rapsdotter (Rapistrum rugosum), Acker Hahnenfuß (Ranunculus arvensis), Roggen Trespe (Bromus secalinus), Acker-Ringelblume (Calendula arvensis) und Kornrade (Agrostemma githago). Viele dieser Pflanzenarten sind bundesweit vom Aussterben bedroht.
Nützlinge
Von dieser floristischen Vielfalt im Weinberg profitieren auch viele Nützlinge wie Spinnen, Marienkäfer, Florfliegen oder Schlupfwespen. Diese natürlichen Verbündeten im Kampf gegen Rebenschädlinge werden durch unsere fast ganzjährig blühende Weinbergsflora angelockt und sie ernähren sich teilweise von dem in den Blüten reichlich vorhandenen Nektar und Pollen. Durch die steigende Artenvielfalt im Biowingert wird das ganze Ökosystem stabiler, die Rebschädlinge werden auf natürliche Weise reguliert.
Tierwelt
Die Vielfalt in unseren Weinbergen steigt jährlich, immer wieder dürfen wir neue Wunder der Natur erleben. Manchmal ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Erst vor wenigen Jahren entdeckte ich, dass die seltene Zwergmaus in unseren Weinbergen am Haardtrand vorkommt.
Natürlich beobachten wir auch viele Vogelarten in unseren Weinbergen. Einige Arten brüten direkt in den Reben, z.B. Hänfling, Diestelfink, Girlitz und Amsel. Am Boden zwischen den Reben brütet die seltene Heidelerche. Die mediterrane Vogelart Zaunammer beobachten wir öfters bei der Nahrungssuche in unseren Weinbergen am Haardtrand.
Bei den Käferarten ist eine Besonderheit das Vorkommen des Seggen Prachtkäfers (Aphanisticus elongatus) an Dichtähriger Segge (Carex muricata) in unseren Weinbergen. Und einige seltene Buntkäferarten wie der Hellbindige Buntkäfer (Tilloidea unifasciata) oder die für die Pfalz neue Art Tarsostenus univittatus kommen an unseren Reben vor.
Eine Überraschung war im Jahr 2004 der Fund einer Gottesanbeterin (Mantis religiosa) in unserem Weinberg. Diese wärmeliebende Insektenart kommt seither regelmäßig in unseren Weinbergen vor, die auffälligen Eikokons dieser Art entdecke ich seither nicht selten beim Rebschnitt an unseren Reben.
Im Rekordsommer 2003 fand ich die Raupen von drei Schwärmerarten (Nachtfalter) in unseren Weinbergen: Windenschwärmer (Herse convolvul) an Ackerwinde (Convolvulus arvensis), Nachtkerzenschwärmer (Prosperpinus prosperpina) an zottigem Weidenrösschen (Epilobium hirsutum) und die Raupe des Mittleren Weinschwärmers (Deilephila elpenor) an Rebblättern.
Ökonischen im Weinberg
Um die durch die Flurbereinigung teilweise ausgeräumte Landschaft aufzuwerten haben wir in unseren Weinbergen kleine Ökonischen angelegt. Verschiede Hochstammobstbäume bereichern jetzt die Landschaft. An zwei dieser Obstbäume haben wir Nistkästen für Turmfalken angebracht. Hier brüten jährlich Turmfalken und halten so die Feldmäuse in Schach.
Etwa 100 Vogelniströhren aus Ton haben wir in unseren Weinbergen verteilt. Darin brüten Hausrotschwanz, Kohlmeise oder Bachstelzen und der in unserer Region sehr seltene Gartenrotschwanz.
Um die Wildbienen zu fördern haben wir an den Weinbergsendpfosten mehr als 500 Insektennisthölzer angebracht. Dazu verwenden wir gut abgelagertes Robinienholz in das wir Löcher von 3mm bis 6mm Durchmesser gebohrt haben. Etwa 300 Löcher je Nistholz bieten vielen Insekten eine Nistmöglichkeit. Diese „Wildbienenhotels“ werden sehr schnell besiedelt. Die Wildbienen danken es uns durch die Bestäubung von Obstbäumen und Wildkräutern.
Neben den Wildbienen profitieren von den Nisthölzern auch räuberische Kleinwespen, z.B. Lehmwespen und Grabwespen. Einige dieser Arten jagen Rebschädlinge wie den Traubenwickler oder die grüne Rebzikade und stabilisieren damit das Ökosystem Biowingert.
Unser Ziel ist es alle Weinbergs-Endpfosten mit Wildbienenhotels zu bestücken.
Artenschutzprojekte an Haus und Hof
Turmfalken brüten seit Jahrzehnten an unserem Kelterhaus, eine im Horst installierte Nistkastenkamera ist für unsere Kunden eine besondere Attraktion, am Bildschirm kann man die Aufzucht der jungen Falken live beobachten.
Weitere Nisthilfen für Schleiereulen, Rauch- und Mehlschwalben, Hausrotschwanz und Bachstelzen werden genutzt. Der leer stehende Dachboden hat eine freie Einflugöffnung für Eulen und Fledermäuse.
Eine Bruchsteinmauer am neuen Kelterhaus wurde nicht verfugt, in den offenen Mauerfugen haben sich Zwergfledermäuse angesiedelt.
Die Trockenmauer die unseren Hof umgibt wurde erhalten und sogar erweitert. Hier lebt eine individuenreiche Population der Mauereidechse und viele weitere seltene Tierarten die auf solche Lebensräume angewiesen sind, z.B. der Pelzbienen Ölkäfer (Sitaris muralis), die Bräunliche Flechteneule (Bryophila ravula) und die Mauer Flechteneule (Bryophila muralis).
Pflanzen der so genannten Dorfflora, die überall stark im Rückgang begriffen sind, finden an dieser Trockenmauer ihre Nische, z. B. Herzgespann (Leonurus cardiaca), Aufrechtes Glaskraut (Parietaria officinalis), Mauer Glaskraut (Parietaria judaica), Kermesbeere (Phytolacca esculenta), Schwarznessel (Ballota nigra), Mauerraute (Asplenium muralis), Nagelkraut (Polycarpon tetraphyllum), Großes Löwenmaul (Antirrhinum majus), Goldlack (Cheiranthus cheiri) und Katzenminze (Nepeta cataria).
Eine Hecke mit mehr als 30 verschiedenen einheimischen Wildsträuchern haben wir an der Ostseite unseres Betriebes angelegt. Diese Wildsträucherhecke bietet vom Frühjahr bis zum Herbst ein reiches Blütenangebot für Insekten, vom Sommer bis in den späten Winter reifen Wildbeeren für die Vogelwelt.
Artenschutzprojekt "Beweidung von Naturschutzflächen durch Esel"
Seit einigen Jahren setzen wir unsere beiden Esel Konik und Schmusi zur extensiven Beweidung unserer Wiesen im Naturschutzgebiet Haardtrand Hinkelberg ein. Seit dem Jahr 2008 sind unsere beiden Esel auch für die mehrere Hektar große Pollichia-Naturschutzfläche „Schiefersteinbruch im Altenforst“ zuständig. Durch die extensive Beweidung soll der artenreiche Trockenrasen erhalten werden.
Die Bestände der seltenen Pflanzenarten Runder Lauch, Roß Lauch, Große Traubenhyazinthe und Gestreifter Klee haben sich wieder erholt, zusätzlich konnten wir mit Pechnelke (Viscaria viscosa), Spurre (Holosteum umbellatum), und Quendel Seide (Cuscuta epithymum) weitere Raritäten entdecken. Von der Beweidung profitieren auch wärmeliebende Insektenarten wie die Gottesanbeterin (Mantis religiosa) oder der Johanniskraut Prachtkäfer (Agrilus hyperici).
Für unsere Arbeit im Naturschutz wurde unser Weingut im Jahr 2007 durch den damaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel mit dem Naturschutzhof-Preis ausgezeichnet.
Im Jahr 2019 wurde uns der Gerhard Postel Umweltpreis verliehen.